Chiemseekonferenz 2018

Klimaschutz heute - nicht erst morgen

Quelle: Chiemgau-Zeitung / 26.11.2007

Bernau - Viele Wege führen zum Klimaschutz. Doch: Wann muss gehandelt werden? Welche Richtung muss zuerst eingeschlagen werden? Und vor allem: Wer unternimmt den ersten Schritt?
In der Podiumsdiskussion auf der Klimatagung des Abwasser- und Umweltverbandes (AZV) Chiemsee im Gasthof «Kampenwand» in Bernau (wir berichteten) gewannen die rund 150 Wissenschaftler, Kommunalpolitiker und Bürger die Erkenntnis, dass mehrere Strategien zur Bekämpfung der Erderwärmung unverzüglich und gleichzeitig zur Anwendung kommen müssen - und dass jeder Einzelne aufgefordert ist, hier und jetzt sein Scherflein beizutragen, um nachfolgenden Generationen eine Klimakatastrophe zu ersparen. Die Diskussion moderierte Dirk Breitfuß vom Oberbayerischen Volksblatt.Dr. Walter Söllner aus Prien kritisierte, dass die Forschung den Klimawandel dramatisiere und immer nur die schlechten Seiten herausstelle, nie aber die guten. Positiv sei zum Beispiel, dass der Temperaturanstieg den «Permafrost», den dauergefrorenen Boden, zurückdrängen werde - und dass mit dem Auftauen neue Flächen entstehen, die die Landwirte dann nutzen können. Und die Erderwärmung mache sich im Übrigen auch schon jetzt für jeden Verbraucher im Gelbeutel positiv bemerkbar: Der Klimawandel, so Söllner, führe zu geringeren Heizkosten im Winter.
Professor Dr. Wolfgang Seiler, der Ex-Direktor des Institus für Meteorologie und Klimaforschung am Forschungszentrum Karlrsruhe, widersprach ihm und betonte vielmehr, dass die gefrorenen Böden, wenn sie denn aufgetaut sind, keinesweg landwirtschaftlich nutzbar seien. Wenn der Permafrost zurückgeht, wird seinen Angaben zufolge die Versteppung zunehmen. Und das Heizen sei den Vebrauchern im vergangenen Winter unterm Strich nicht viel billiger gekommen als ein Jahr zuvor. Sie hätten zwar einerseits 30 bis 40 Prozent weniger Öl gebraucht, andererseits jedoch sei der Preis um 30 Prozent gestiegen.
Mehrere Bürger griffen den Gedanken von Dr. Karl von Koerber, einem Lehrbeauftragten an der Technischen Universität (TU München), auf und betonten die Notwendigkeit einer «klimaoptimierten Ernährung» - vor allem mit weniger tierischen und mehr pflanzlichen Lebensmitteln. ÖDP-Kreisrätin und Landratskandidatin Christine Mehlo-Plath etwa brach eine Lanze für den ökologischen Landbau. Entscheidend sei, qualitativ hochwertige Lebensmittel zu erzeugen - und zwar ohne Gentechnik.
Professor Seiler warnte vor dem «Fehler», in einer globalen Umstellung der Ernährung ein Allheilmittel gegen die Erderwärmung zu sehen. Die Erdbevölkerung werde noch einmal um 3 bis 3,5 Milliarden steigen, in den Entwicklungs- und Schwellenländern werde der Wohlstand zunehmen. «Wir werden einen steigenden Bedarf an hochwertigen Lebensmitteln bekommen», sah er für die Verringerung der Produktion tierischer Nahrungsmittel enge Grenzen.
Auch Professor Alois Heißenhuber vom Lehrstuhl für Wirtschaftslehre des Landbaus der TU München, sagte, dass man die Erwartungen, den Klimawandel über eine Änderung der Essgewohnheiten der Weltbevölkerung aufzuhalten, «nicht zu hoch ansetzen» sollte. Die Ernährung sei ledich einer von mehreren Ansätzen, die alle parallel verwirklicht werden müssen. Der Professor betonte, dass jeder aufgerufen sei, etwas zu unternehmen. Vor dem Hintergrund, dass sich keiner dieser Verpflichtung entziehen dürfe, «ärgert» er sich, wie er sagte, dass die Automobilindustrie «so mauert» - - und nicht bereit ist, mit neuen kleinen, im Spritverbrauch sparsamen Autos herauszukommen. Von der Bevölkerung müsse «noch mehr Druck» ausgehen.
Die Pauschalkritik, dass die Politiker zu spät auf den Klimawandel reagiert hätten und jetzt zu wenig unternehmen würden, ließ der Professor nicht gelten. Die Politik habe die Herausforderung, die mit der Erderwärmung einhergehe, schon vor Jahren erkannt. Bereits 1988 habe der Bundestag beschlossen, den CO2-Ausstoß bis 2005 um 25 Prozent zu verringern.
Susanne Pfliegl aus Bernau sagte, dass sie das Haus ihrer Eltern sanieren will. Sie sprach von eine «Katastrophe», dass der Staat offensichtlich Förderprogramme gestrichen habe. Seiler entgegnete ihr, dass sie offensichtlich falsch informiert worden sei. Denn die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) vergebe sehr wohl nach wie vor zinsgünstige Darlehen.
Florian Hoffman, der Vorsitzende des AZV, betonte, dass der Verband die Diskussion um den Klimawandel beleben wolle. Hoffmann sah die Notwendigkeit, auch und gerade in der Region unverzüglich zu handeln - und zwar unter Einbeziehung der Bevölkerung. pü

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