Chiemseekonferenz 2018

Klimaschutz lohnt sich auf lange Sicht

Quelle: Chiemgau-Zeitung / 20.11.2007

Professor Alois Heißenhuber: „Wir müssen uns anpassen und Emissionen von Treibhausgasen senken"

Bernau - „Der Klimawandel findet bereits statt und kann nur noch gebremst, nicht mehr gestoppt werden", sagt Professor Alois Heißenhuber vom Lehrstuhl für Wirtschaftslehre des Landbaus der Technischen Universität München. Und seine Forderung lautet: „Wir müssen uns anpassen und gleichzeitig die Emissionen von Treibhausgasen senken." Alle Anstrengungen, die in diese Richtung gehen, liegen dem Professor zufolge nicht nur im ureigenen Interesse der Menschen, die Lebensgrundlagen zu sichern. Langfristig betrachtet rechnen sie sich auch. „Klimaschutz lohnt sich - aber nicht heute oder morgen", so Heißenhuber. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Klimawandel seien vorhanden, „nun gilt es, wirksam zu handeln".
Der Lehrstuhl für Wirtschaftslehre des Landbaus in Weihenstephan leitet die so genannte Klima-Werkstatt, ein vom Bund gefördertes Forschungsprojekt zum Klimawandel in Südostoberbayern. Zusammen mit dem Abwasser- und Umweltverband (AZV) Chiemsee veranstaltete die Klima-Werkstatt eine Tagung in Bernau (wir berichteten bereits). Heißenhuber erläuterte vor rund 150 Wissenschaftlern, Kommunalpolitikern und Bürgern die ökonomischen und gesellschaftlichen Auswirkungen des Klimawandels.
Klimaschutz billiger als Schadensbehebung
„Nach Berechnungen des Briten Sir Nicholas Stern liegen die Klimaschutzkosten deutlich unter den Schadenskosten, die entstehen, wenn kein Klimaschutz und keine Anpassung an den Klimawandel betrieben wird", betonte Heißenhuber. Am wichtigsten sei es, den Kohlendioxid(CO2)-Gehalt der Atmosphäre zu begrenzen. CO2 habe den größten Anteil innerhalb der Treibhausgase - weshalb auch in diesem Bereich das größte Einsparpotenzial liege.
Kohlendioxid könne auf verschiedene Wege eingespart werden, zum Beispiel durch die Nutzung von erneuerbaren Energien. Die Kosten einer CO2-Einsparung schwanken allerdings dem Professor zufolge zwischen den einzelnen Verfahren stark. Zudem könne jeder Bürger Klimaschutz betreiben, indem er seine Gewohnheiten, zum Beispiel seine Mobilität oder auch seine Ernährung, überprüfe.
Wer sich dem Klimawandel anpasst und auf die Auswirkungen, die er mit sich bringt, reagiert, der muss finanziell betrachtet in Vorleistung gehen - was im Umkehrschluss bedeutet, dass sich seine Ausgaben erst später lohnen werden, dann aber vielleicht einen Schaden verhindern oder einen Nutzen bringen, der um ein Vielfaches über den ursprünglichen Investitionen liegt.
Investition lohnt sich erst nach vielen Jahren
Als Beispiel nannte Heißenhuber den Bau einer Mauer für den Hochwasserschutz, die im Moment viel Geld kostet, später jedoch großen Schaden verhindern hilft. Weiter nannte er auch die Wärmedämmung eines Hauses. Auf einmal müsse der Eigentümer 20 000 Euro für die Isolierung aufbringen, der Nutzen - die Einsparung an Energie - werde sich jedoch erst im Laufe der Zeit einstellen. Erst nach 15 bis 20 Jahren werde sich die Investition gelohnt haben - und nach weiteren Jahren sogar noch viel mehr.
Laut dem Professor müssen „Klimaschutzstrategien" entwickelt werden. Die Anpassung an die veränderten Bedingungen werde jedoch nicht nur Gewinner, sondern auch Verlierer mit sich bringen. Wenn etwa der Verbraucher künftig weniger mit dem Auto fahre oder ein kleines, leichtes Fahrzeug mit geringerem Spritverbrauch kaufe, dann werde diese Entwicklung die Automobilindustrie, vor allem jene Hersteller, die schwere Karossen produzieren, unter Druck setzen.
Im Konsum müsse ein Umdenken stattfinden. Und der Professor nannte ein Beispiel: Im vergangenen Jahr habe Großbritannien rund 210 000 Tonnen Schweinefleisch in andere EU-Staaten exportiert. Im Gegenzug seien 270 000 Tonnen eingeführt worden - ein Warenfluss, der zum großen Teil nicht nötig sei und nur Treibhausgase freisetze.
„Die Landwirtschaft kann einen wichtigen Beitrag zum Klima-, Wasser- und Bodenschutz leisten", so der Professor weiter. Im Rahmen von Produktionsprozessen könne sie Energie einsparen wie auch zur Verfügung stellen. Das Potenzial der erneuerbaren Energien als Alternative zu fossilen ist laut Heißenhuber allerdings begrenzt.
200 Kilogramm Mais - zwei Tankfüllungen
So müsse jetzt zum Beispiel auch immer häufiger festgestellt werden, dass ein Bauer in Mexiko etwa 200 Kilogramm Mais nicht der Herstellung von Tortillas zukommen lässt, sondern, weil er mehr Geld bekommt, der Produktion von Biodiesel zur Verfügung stellt - 200 Kilogramm, die ausreichen, einen Menschen ein Jahr lang zu ernähren, die aber gleichzeitig nur zwei Tankfüllungen mit alternativem Sprit ermöglichen. pü

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Zehn Tonnen CO2
pro Kopf und Jahr

Der CO2-Ausstoß ist in den Industriestaaten im Vergleich zu den Entwicklungs- und auch Schwellenländern vergleichsweise hoch. In den USA beträgt die Pro-Kopf-CO2-Emission im Jahr nach Angaben von Professor Alois Heißenhuber 19,68 Tonnen, in Kanada 17,49, in Russland 10,64 und in Deutschland 10,35. In China entweichen pro Einwohner lediglich 2,89, in Indien 0,99 Tonnen in die Atmosphäre. Weil die Unterschiede so groß seien, „tun wir uns schwer, auf ein Niveau zu kommen", sagte der Professor mit Blick auf die Weltengemeinschaft.