Bürgerbus Chiemsee

Lieber Bus fahren als rumsitzen

Quelle: Chiemgau-Zeitung / 14.12.2006

Chiemgau - Manche Buben träumen davon, knapp 30 Rentnerinnen und Rentner aus dem Chiemgau tun es: Sie fahren Bus - für ein Dankeschön und mit Begeisterung.Seit bald vier Jahren verkehrt der Bürgerbus der Chiemseeagenda zwischen Amerang und Prien. Fast 30 Passagiere fahren im Tagesdurchschnitt mit, etwa die Hälfte sind Stammgäste. Und im 29-köpfigen Fahrerlager finden sich nur Altgediente.


«Ich will nicht rumsitzen.» So einfach ist die Antwort von Rudi Graichen auf die Frage, warum er sich schon weit über 100-mal ans Steuer des Neunsitzers gesetzt hat. Und Siegi Raab, der als Gauschützenmeister seit 1990 einen ziemlich vollen Terminkalender hat, lächelt: «Tagsüber hab ich ja Zeit.» Auch er kommt schon auf 100 Fahrten. Der Ameranger hatte auch die Ehre, im März 2003 bei der Jungfernfahrt am Steuer zu sitzen.
Graichen, früher in der Entwicklung bei Siemens tätig, wollte nach der Pensionierung etwas für die Verbesserung der Verkehrssituation in seiner Heimat tun, erzählt er im Gespräch mit der Chiemgau-Zeitung. Der Obinger ist inzwischen auch noch Zugführer beim «LEO», der Lokalbahn Endorf-Obing.
Beide zählen zu den routiniertesten Bürgerbusfahrern. Ein 20-Euro-Schein am Morgen kann sie nicht aus der Ruhe bringen. «Ich hab immer mein eigenes Wechselgeld dabei», sagt Graichen. Denn der Fahrpreis liegt pauschal bei einem Euro.
Die Route Amerang-Prien war seinerzeit nur auf verschlungenen Umwegen und mit Umsteigen zu bewältigen. So entstand die Idee für den Bürgerbus. Und ein Aufruf in der Zeitung verfehlte seine Wirkung nicht. Beim Start hatten sich 15 Ehrenamtliche als Fahrer gefunden. Heute sind es fast doppelt so viele, darunter vier Frauen - und trotzdem könnten es noch mehr sein. Dann hätte der Priener Rolf Mitzkeit leichteres Spiel, wenn er den Einsatzplan zusammenstellt. In eineinhalb Jahren wird auf jeden Fall ein prominenter Neuzugang die Truppe verstärken. Landrat Dr. Max Gimple hat schon vor langer Zeit versprochen, dass er einsteigen will, wenn er seine politische Karriere beendet.
Der Betrieb läuft mittlerweile längst routiniert und weitestgehend reibungslos. Der erste Bürgerbus blieb unfallfrei und auch das Nachfolgemodell, das heuer im Frühjahr in Dienst gestellt wurde, hat noch keine Schäden abbekommen. «Nur die Wegfahrsperre hat einmal zu gut funktioniert», verrät Graichen und erzählt noch von einer Vollbremsung, als sich ihm einmal ein Laster in den Weg gestellt hatte.
Die Passagiere kamen mit dem Schrecken davon. «Lauter liabe Leit», beschreibt Graichen die Kundschaft. Viele kennen die Fahrer inzwischen längst, zum Beispiel den Kreis älterer Damen, die von Obing regelmäßig zum Baden nach Bad Endorf fahren. Überhaupt wird der Bürgerbus von den Obingern am stärksten genutzt, berichten Graichen und Raab übereinstimmend.
28 Passagiere nutzen durchschnittlich pro Einsatztag das Angebot, darunter sind Schüler ebenso wie im Sommer zahlreiche Touristen. Die Urlauber werden oft durch die Broschüre «Wandern mit dem Bürgerbus» aufmerksam. Erst im Spätherbst hat Raab an fünf Tagen eine fünfköpfige Familie zu diversen Ausgangspunkten von Wanderungen kutschiert. Auch für zwei Fahrräder oder einen Kinderwagen bietet die Ladefläche Platz - und die Fahrer sind selbstverständlich beim Einladen behilflich.
Probleme mit den Kunden gab's so gut wie noch nie, versichern Raab und Graichen, auch wenn es vereinzelt vorkommt, dass wartende Passagiere nicht mehr einsteigen können, wenn alle acht Plätze schon besetzt sind.
Der Winter stellt die Ehrenamtlichen vor zusätzliche Herausforderungen. Denn am Ameranger Wertstoffhof steht der Bus derzeit noch jede Nacht im Freien. Da heißt es kratzen und wohl auch bald Schnee räumen, was bei dem hohen Fahrzeug keine leichte Übung ist, bevor sich der Neunsitzer um 8.25 Uhr auf seine erste Tour durch neun Gemeinden macht. Zweimal täglich, im Winterhalbjahr nur montags, mittwochs und freitags, pendelt der Bus auf unterschiedlichen Routen zwischen Amerang und Prien, 165 Kilometer jeden Tag.

Bildergalerie