Natur und Tourismus

Werbung für nächtliche Räuber

Quelle: Chiemgau-Zeitung, Dirk Breitfuß / 06.08.2012

Die Chiemsee-Naturführer wollen die Tiere jetzt einem breiteren Publikum näherbringen. Sechsmal in diesem Sommer begibt sich Konrad Hollerieth in der Abenddämmerung auf die Suche - und der Rimstinger Naturführer wird immer fündig, wenn es nicht gerade regnet. Bei seinen Rundgängen spüren er und die zumeist zahlreichen Teilnehmer der Führung "Nächtliche Räuber auf der Jagd" nahe der umweltpädagogischen Hütte am Rimstinger Strandbad zumeist Exemplare mehrerer Arten auf.
Die Gäste sind verblüfft, wenn sie dank Hollerieths Ultraschall-Detektor die sonst scheinbar lautlosen Flieger plötzlich hören können. "Die Fledermaus sieht mit den Ohren und fliegt mit den Händen", erklärt der Rimstinger (mit Fledermaus-T-Shirt) den Besuchern zum Beispiel mit Hilfe von Skizzen des Körperbaus und Skeletts der Tiere.
Diese Bilder und vieles mehr füllen jetzt eine Mappe: "Anleitung und Hintergrundinformationen für geführte Fledermausbeobachtungen am Chiemsee" steht auf dem Deckblatt unter einem mehr als lebensgroßen Abbild der "Kleinen Hufeisennase".
Sie ist der Star unter den heimischen Fledermäusen, galt sie doch lange als ausgestorben in Bayern. 1991 war nur noch eine kleine Kolonie am Peißenberg bekannt, die sich aber nicht mehr fortpflanzte.
Dann brauchte Dr. Andreas Zahn eine Leiter. Der Fledermausbeauftragte für Südbayern wollte eine andere Art auf dem Dachboden des Königsschlosses auf Herrenchiemsee näher untersuchen. Weil aber die Leiter, die er irgendwo fand, sehr lang und sperrig war, musste Zahn einen Umweg zurück zu den Untersuchungsobjekten suchen - und stieß im weitläufigen Speicher zufällig auf zwölf "Kleine Hufeisennasen", die dort unbemerkt überlebt hatten.
Inzwischen ist diese Kolonie wieder auf 130 Exemplare angewachsen, erzählte Zahn jetzt in der umweltpädagogischen Hütte in Westernach. Er freute sich über den Anlass des Treffens mit einem guten halben Dutzend Naturführern. Die bekamen jeweils ein Exemplar der neuen Infomappe in die Hand, die Marion Gelhaus mit Unterstützung einiger weiterer kundiger Fledermaus-Fans und von Claus Linke, dem EDV-, Bild- und Grafikspezialisten der Naturführer, zusammengestellt hat.
Die Informationssammlung soll es den Tourenbegleitern erleichtern, auch andernorts am Bayerischen Meer Fledermausführungen anzubieten. Denn in diesem Sommer gibt es sie nur in Rimsting. Nicht mal auf der Herreninsel, die bayernweit als das Dorado schlechthin für die Tiere gilt, kann man ihnen heuer unter professioneller Leitung nachspüren.
Unter dem Dach des Abwasser- und Umweltverbandes (AZV) Chiemsee, dessen Vorsitzender Josef Mayer allen Beteiligten am Zustandekommen des Leitfadens ebenso dankte wie AZV-Umweltbeauftragte Marlene Berger-Stöckl, sollen das Angebot an Fledermausführungen ausgebaut und vergleichbare Führungen anderer Institutionen integriert werden.
Gleichzeitig soll so das Verständnis für die Tiere geweckt oder gestärkt werden. "Sie saugen kein Blut und zerstören keine Häuser", betrieb Zahn Imagepflege. Jeder könne etwas für den Schutz der zumeist vom Aussterben bedrohten Arten tun. "Ein Brett zwei Zentimeter unterm Dachfirst montieren - und schon hat man ein Fledermausquartier", nannte Zahn ein praktisches Beispiel. Und Berger-Stöckl appellierte an die Gemeinden, bei öffentlichen Bauten die Bedürfnisse der nächtlichen Flieger ab und an zu berücksichtigen, ihnen Unterschlupf zu gewähren. Das gelingt auch mit sogenannten Höhlenbäumen. Solch alte Baumriesen mit Schlupflöchern gibt es ihrem Dafürhalten nach viel zu selten.

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