Priener Solargesellschaft

Noch mehr Strom vom Schuldach - Chiemgau Zeitung v. 10.07.2011

/ 18.07.2011

Prien - Während des Irakkriegs 2002, als die Ölpreise in die Höhe schossen, reifte bei einem Häuflein Lehrern und Schülern der Freien Waldorfschule Chiemgau der Entschluss, "Strom vom Schuldach" zu produzieren, um so ein Signal für eine zukunftsgerichtete Energieversorgung zu setzen.

Ein Jahr später wurde die Priener Solargesellschaft gegründet. Ihr ehrgeiziges Ziel war es, Fotovoltaikanlagen mit einer maximalen Leistung von 30 Kilowatt/peak (kWp) zu bauen. Jetzt produzieren die Anlagen schon mehr als dreimal so viel.

Schon zum sechsten Mal konnte jetzt die Fotovoltaikanlage auf dem Dach der Franziska-Hager-Schule erweitert werden, diesmal um Module mit einer Kapazität von gut 24 kWp. Die Maßeinheit kWp steht für die maximale Leistung. Der neue Teil der Anlage ist allerdings noch nicht komplett finanziert, 15.000 der 65.000 Euro Nettoinvestition fehlen noch, warb Herbert Langmann, 2002 Vater der Initiative und Geschäftsführer der Solargesellschaft, um weitere Gesellschafter. Für eine Einlage von 1000 Euro bekommen die Anteilseigener im Gegenzug eine jährliche Einspeisevergütung von gut 89 Euro.

Langmann nahm die kleine Feierstunde auf dem Pausenhof der Hager-Schule zum Anlass, die Entwicklung der Solargesellschaft Revue passieren zu lassen. Nach den ersten Bausteinen mit 4,32 kWp auf der Waldorfschule im Gründungsjahr (Nettoinvestition 25.000 Euro) und mit 13,2 kWp im Jahr darauf auf der Hager-Schule (67000 Euro) verlief die Entwicklung über Jahre schleppend. Die Anlage auf dem Süddach der heutigen Mittelschule konnte zwischen 2005 und 2009 zwar fast jedes Jahr erweitert werden, aber nur um vergleichsweise kleine Moduleinheiten.

2009 bekam "Strom vom Schuldach" dann einen Schub, weil die Gesellschaft erstmals fremdging. Nicht auf einer Schule, sondern auf dem Dach des Atzinger Trachtenheims, konnte für über 72.000 Euro eine Anlage mit einer Kapazität von gut 20 kWp installiert werden. Exakt den gleichen Wert erzielt allein die Erweiterung des Fotovoltaik-Systems auf der Hager-Schule für 62000 Euro im vergangenen Jahr.

Mit der Inbetriebnahme der jüngsten Erweiterung in diesen Tagen kommt die Gesellschaft auf eine Gesamtkapazität von gut 104 kWp und kann auf eine Netto-Investitionssumme von fast 400.000 Euro verweisen.

Auf fast 100.000 Kilowatt im Jahr summiert sich nun der Stromertrag der Sonnenenergie, die auf mehr als 800 Quadratmetern eingefangen wird, was Langmann zufolge dem Verbrauch von 30 Familien entspricht. Gut 34.000 Euro netto jährlich bekommt die Gesellschaft für die Einleitung ins öffentliche Netz.

Sie ist jeweils ab der Inbetriebnahme der einzelnen Anlageteile für 20 Jahre festgeschrieben. Nach diversen Gesetzesänderungen bekommt die Gesellschaft für den Strom aus der neuesten Erweiterung noch 28,74 Cent pro Kilowattstunde (kWh). Zum Vergleich: Für die Anlage auf dem Atzinger Vereinshaus, die vor zwei Jahren eingeschaltet wurde, gibt es per Gesetz 43,01 Cent/kWh.

Im Gegenzug zur gesenkten Vergütung ist der Bau von Fotovoltaikanlagen deutlich günstiger geworden. Die Module kosten laut Hartl Hinterholzer, dessen Firma "Chiemsee Solar" alle Installationen auf der Hager-Schule vorgenommen hat, heute nur noch etwa halb so viel wie vor zehn Jahren.

Auch deshalb sind Langmann und Anton Steffanutti, eine treibende Kraft der Gesellschaft mit zwischenzeitlich 100 Anteilseignern, optimistisch, dass das Ende der Entwicklung in Prien noch nicht erreicht ist. Steffanutti hofft nach dem politisch jüngst beschlossenen Atomausstieg auf eine "Zeitenwende von gigantischem Ausmaß", wenn andere Länder dem deutschen Beispiel folgen. Dabei sieht er vor allem die Zeit der Kleinerzeuger wie eben der Priener Solargesellschaft gekommen, die vor zehn Jahren Pionierarbeit geleistet habe. "Es gibt nichts Stärkeres als eine Idee, deren Zeit gekommen ist", schloss sich Bürgermeister Jürgen Seifert mit einem Zitat von Victor Hugo dieser Einschätzung an. Er beobachte derzeit zwar ein weltweites Nachdenken, für ein Umdenken brauche es aber auch noch Druck. "Das Schlimmste ist, nichts zu machen", kritisierte Seifert die weit verbreitete Ablehnung für solche und ähnliche Initiativen in der Gesellschaft.

"Wir werden nicht aufhören, auch in Prien eine Energiewende einzuläuten", kündigte der Bürgermeister an. Neben vielen kleineren müsse es aber auch zwei oder drei große Produzenten regenerativer Energien geben für Leute, "die es sich allein nicht leisten können".

Die Feierstunde zur Einweihung der Erweiterung auf dem Dach der Hager-Schule wurde musikalisch umrahmt von den beiden jungen Geigerinnen Wiebke Richter und Magdalena Fochler. Vielleicht können sie schon bald eine weitere Kostprobe ihres Könnens an gleicher Stelle geben, denn "es ist noch Platz da oben", wie Mittelschulrektor Hans-Joachim Reuter mit dem Blick auf freie Dachflächen bemerkte.

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